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Auf dieser Seite finden Sie Auszüge folgender Kapitel meines Buches
„Physiotherapie bei „Hüftreifungsstörungen“.

4.1.2 Hüftaußenrotatoren

8.2.7 Erlanger Beuge-Spreiz Orthese

9.3.6 Behandlung der unreifen Hüfte im 3. Trimenon

9.4.2 Erste Phase Reflexumdrehen

 

>> Gesamtes Inhaltsverzeichnis

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4.2. Hüftaußenrotatoren

Die Hüftaußenrotatoren setzen sich aus anatomischer Sicht
wie folgt zusammen
(Abb. 4.4):

> M. gluteus maximus (= rot)

> M. quadratus femoris (= lila)

> M. obturatorius internus (= blau)

> Mm. Gluteus medius und minimus (mit jeweils den dorsalen Faserbündeln)

   (= hellblau)

> M. iliopsoas (nur bedingt, auf jeden Fall aber in 30° Außenrotationsstellung).


Auch hier beteiligen sich noch weitere Muskeln an der
Umsetzung der Außenrotation:

> Alle Adduktoren außer dem M. pectineus und dem M. gracilis) sowie der

> M. piriformis ( =grün) und der

> M. sartorius.



Abb. 4.4 Stephanie Burgenger

 

Kapitel 4 Muskuläre Analyse der kindlichen Hüfte

Die Bewegungen um die Längsachse des Beines hängen maßgeblich ab von der Einstellung dees Oberschenkels innerhalb der Sagitalebene aber auch der Frontalebene. Diese Aussage bestätigt sich durch die Anordnung des Kapsel-Band-Apparates des Hüftgelenkes. Durch die Verschraubung der vorhandenen Bänder ist in der Neutralstellung die Rotationsfähigkeit zugunsten der Innenrotation wesentlich eingeschränkter.Kommt der Femur in der Sagitalebene zunehmend in eine Flexionsstellung, so kann der Rotationsfähigkeit durch dieschlaffenden Bänder ein größerer Spielraum gegeben werden. Für die Stabilität der kindlichen Hüfte bedeutet dies aber auch, dass die das Hüftgelenk umgebene Muskulatur einen wesentlichen Anteil an der Sicherung der noch unreifen Hüfte übernehmen muss. In Bezug auf die Versorgung einer Hüftdysplasie mittels einer Orthese wird daher der stabilisierenden Wirkung des Kapsel-Band-Apparates keinerlei Rechnung getragen. Im Gegenteil: Nur durch den aktiven Einsatz kann die Muskulatur eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Hüftgelenkes spielen.

Weiterhin ändert sich die Richtung der Rotationsfunktion bei einem angebeugten oder sehr stark ventralisierten Becken. Dies wird besonders deutlich am Beispiel M. piriformis. Der sehr kompakte Muskel verläuft fast horizontal von der Innenseite des Os sacrum durch das Foramen ischiadicum majus bis zur Innenseite der Spitze des Trochater major. Er ist in seiner Funktion ein Flexor und Abduktor. Zudem rotiert er den Fermur:

Die Umkehr des M. piriformis zum Innenrotator ab einer Hüftbewegung von ca. 60°.

Bis zur Flexion von 60° rotiert er den Fermur nach außen. Ab 60° liegt die Rotationsachse ventral des Drehpunktes des Hüftgelenkes, und somit wird der M. piriformis zum Innenrotator (Abb. 4.5). Durch den knöchernden Kontakt zum Os sacrum hängt seine Funktion aber sehr strak von der Stellung des Beckens ab. Kommt der Muskel in einer Flexion von über 60° in eine zunehmende Außenrotation bei gleichzeitiger Abduktion, so wird der M. piriformis in einen Dehnzustand gebracht. Dies wird dann ausgeglichen durch den Zugam ventralen Os sacrum im Sinne der Nutation.

Das frühkindliche Becken steht aber in jedem Fall stark nach ventral gekippt. Die Hüfte ist somit in Beughaltung (=primitive Becken-Beuge-Haltung). Der M. piriformis kann daher seine Kraft nur dann entfalten, wenn das Os sacrum als poximaler Ursprung seiner Wirkrichtung gehalten wird. Die Stellung des Os sacrum hängt demnach von der Aktivierung des gesamten Beckens ab, welche wiederum durch die Rumpfmuskulatur beeinflusst wird. Nach distal wird deutlich, dass er einen großen Einfluss auf die Stabilität des Hüftgelenkes hat. Er zentriert den Hüftkopf in der Pfanne und dies genau in der Position, in der das dysplastische Kind die Hüftorthese trägt. Anhand dieses Beispiels kann man sehr gut die Notwendigkeit der Aktivierung der Außenrotatoren erkennen, denn ohne diese Muskelgruppe kann die Hüfte keine optimale Reifung erfahren.

 

 


Abb. 4.5 Abbildung Stephanie Burgenger

 

 

Tab. 3
Schematische Übersicht über das Verhalten der rotatorischen Hebelarme der Hüftaußenrotatoren während der Hüftflexion. Der M. quadratus femoris sowie der M. obturatorius externus bleiben über die gesamte Flexion hinweg Außenrotatoren. Der M. Piriformis als auch der M. obturatorius internus ändern ihre rotatorische Funktion und werden oberhalb von ca. 60°-80° Flexion zu Innenrotatoren. (nach Klein und Sommerfeld)

Herkunft der Abbildung:
von Tobias Bergerhoff selbst erstellt in Anlehnung an:
Klein, Paul und Sommerfeld, Peter (2004): Biomechanik der menschlichen Gelenke. Elsevier (Urban und Fischer): S. 230
 



FAZIT:

Die Außenrotatoren entwickeln ihr größtes Drehmoment in der Neutralstellung. Bei zunehmender Flexion überwiegt das Drehmoment der Innenrotatoren (Klein und Sommerfeld 2004). Eine gezielte Aktivierung der Außenrotatoren ist aus biomechanischer und entwicklungsphysiologischer Sicht unumgänglich, da die Kraftvektoren und die Entfaltung der Muskelkraft einen direkten Einfluss auf die Zentrierung des Hüftgelenkes nehmen. Dieses Ziel gilt es, in der konservativen Therapie im Einklang mit der physiotherapeutischen Behandlung umzusetzen.

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8.2.7 Erlanger Beuge-Spreiz Orthese (Ströhlein 2004)

Die Erlanger Beuge-Spreiz Orthese ist ein Hilfsmittel, in dem sich viele Vorteile auch aus anderen Orthesen vereinen. Sie ist einsetzbar vom dritten bis zum 18. Lebensmonat und kann alle Ausprägungsgrade einer Hüftreifungsstörung versorgen, bis hin zu Luxationen des Typs IIIa und IIIb.

Im Gegensatz zu den meisten Hilfsmitteln kann die Erlanger Beuge-Spreiz Orthese daher für alle drei Behandlungsschritte verwendet werden:

> die Einrenkung (Reposition)

> die Ruhigstellung (Retention) und

> die Nachreifung.

Die Erlanger Beuge-Spreiz Orthese besteht aus einer aus Kunststoff gefertigten, sieben Milimeter dicken Bauch- und Rückenschale mit einer breitenverstellbaren Aluminiumverstärkung (Abb. 8.10).

Das Kind kann durch die in der Breite und Tiefe stufenlos verstellbare Bauch- und Rückenschale in einer optimalen Passform an den Rumpf gehalten werden. Zwei seitlich an den Schalen angebrachte Klettverschlüsse formen somit das Rumpfmodul, wodurch auch auf die sehr einengenden Schultergurte verzichtet werden kann. Die sehr kompakten Aluminium-Hüftgelenke verbinden die Bauchschale mit den Oberschenkelschalen und lassen in den Hüften eine Beugung bis 140° bei gleichzeitiger Abspreizstellung von 50° zu. Dies gewährleistet eine sehr gute und hüftkopfschonende Beinhaltung, welche die Beine vorzugsweise in Sitzhockposition einstellt. Eine Teilbewegung von 15° Extension und 15° Flexion kann in den Hüftgelenken eingestellt werden. Durch das zusätzliche Anbringen von Aluminium-Kniegelenken mit Unterschenkelschalen kann der Behandlung von instabilen Hüften Rechnung getragen werden. Es kann jedoch in der Vielzahl der Fälle auf eine Unterschenkelfixierung verzichtet werden, da die Hüftköpfe der Säuglinge in eine Innenrotation gebracht werden.

Die Innenrotation wirkt stabilisierend und erfolgt automatisch bei auf dem Rücken liegenden Säuglingen durch die an der Bauchschale angebrachten Hüftgelenke. Der Verzicht auf Unterschenkelschalen stellt einen nicht unwesentlichen Vorteil dar, da somit auch die so genannten „Liegekonsolen“ oder ähnliches nicht erforderlich sind, die den Eltern das Tragen der Säuglinge und Kinder unmöglich macht.

 



Abb. 8.10

Die Erlanger-Beuge-Spreiz-Schiene (nach Ströhlein 2004). Herkunft der Abbildung Bernd Ströhlein

 

 

Einige Vorteile der an der Bauchschale angebrachten Aluminium-Hüftgelenke bestehen aus…

> der vereinfachte Einstellungsmöglichkeit der Orthese: Die Hüften des Kindes können bei bereits angelegter Schiene in
   Rückenlage liegend und mit Blickkontakt zu den Eltern (und somit unter Ablenkung) vom Orthopäden in Ruhe und sehr genau
   eingestellt werden

> der Möglichkeit zur Einrenkung der Hüften während das Kind die Orthese trägt. Dies liegt an der mit den Hüften des Kindes
   sehr gut übereinstimmenden Beweglichkeit der sehr kompakten Aluminium-Hüftgelenke

> einer sehr kurz bemessenen Rückenschale. Sie ermöglicht dem Kind ein schmerzfreies und unproblematisches Liegen auf dem    Bauch

> der sehr guten Möglichkeit das Kind in der Orthese zu säubern, ohne das Kind aus der Schiene nehmen zu müssen. Dies trägt
   wesentlich zur Verbesserung der Hygiene bei (weniger Wundsein) und einer größeren Zufriedenheit des Kindes

> einer sehr unauffälligen Handhabung der Schiene in der Öffentlichkeit beispielsweise beim Tragen des Kindes.

Ein sehr wichtiger Vorteil der Schiene liegt in der Tatsache, dass das Kind nach einer geschlossenen oder auch offenen Reposition sofort kernspintomographisch (MRT) untersucht werden kann (während der noch nachwirkenden medikamentösen Sedierung).

Auch Anstelle eines Hüftgipses kann die Erlanger Beuge-Spreiz-Orthese eingesetzt werden, denn die Orthese stellt die Beine vorzugsweise in Sitzhockposition ein. Um eine mangelnde Mitarbeit (schlechte Compliance) der Eltern und ein Verrutschen innerhalb der Orthese zu verhindern, können einmal-verschließbare Klettverschlüsse Anwendung finden, die eine Manipulation an der Orthese verhindern und den konsequenten Orthesensitz gewährleisten. Hinzu kommt das sehr leichte Gewicht der Orthese, welches zwischen 300 und 800 Gramm liegt. Ebenso kann die Wundheilung innerhalb der Orthese nach der operativen Einrenkung erheblich besser verlaufen, da die Narbe wesentlich besser belüftet ist und eine Kontrolle dieser effektiver ist, um beispielsweise schneller Wundinfektionen feststellen zu können. Es ist den Kindern möglich, problemlos auf dem Bauch und auf dem Rücken zu liegen. Will sich der Säugling umdrehen, so kann er in einer leichten Seitenlage liegen - es sind immer Antiluxationsdrücke vorhanden.

Die Erlanger Beuge-Spreiz-Orthese ist die jüngste aber wohl auch fortschrittlichste aller Hüftorthesen, die durch ihre einfache Handhabung und die damit verbundene gute Compliance besticht. Sie wird bereits an mehreren Universitatskliniken eingesetzt und hat dort das Stadium der Erprobung bereits durchlaufen – mit gutem Erfolg.

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9.3.6 Behandlung der unreifen Hüfte im dritten Trimenon

Der Säugling befindet sich im vorletzten Trimenon unmittelbar in der Vorbereitung zur Aufrichtung. Er erprobt die Vertikalisierung aus der Bauchlage aber auch aus der Seitlage. Zu diesem Zeitpunkt ist v.a. der schräge Sitz ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des gesunden Kindes. Kinder mit Hüftdysplasie nehmen eine derartige Position eher verspätet ein, und die Qualität des Haltungshintergrundes ist dann zumeist auch qualitativ schlechter. Die Vorstufe zum schrägen Sitz ist die so genannte „Zwergen-Stellung“ oder Seitlage mit angestelltem Bein. In der Seitenlage wird der Säugling in eine stützende Position gebracht. Diese variiert ausgehend von der Rückenlage über den Stütz auf einem Ellenbogen, hin zum Handstütz, dem anschließenden Lösen der Hand von der Unterlage bis in den freien Sitz.

Das Kind befindet sich in Rückenlage liegend entweder auf dem Schoß des Therapeuten, auf der Behandlungsliege oder dem großen Gymnastik-Ball. Bei den zuletzt Genannten steht der Therapeut dicht hinter dem Kind. Er greift von kaudal her mit einer Hand durch die Beine auf den ventralen Brustkorb in Sternumhöhe. Das obere Bein des Kindes liegt auf dem Unterarm des Behandlers.

Nun wird mit Hilfe der anderen Hand, die seitlich auf das Becken des Kindes gelegt wird, ein Drehvorgang in die Seitlage initiiert. Die dabei belastete Körperseite wird aktiv verlängert und die nun untenliegende Hüfte findet sich in einer Stützbelastung wieder. Von dieser stützenden Hüfte ausgehend orientieren sich die Stellreaktionen des Rumpfes bis hin zum Kopf. Mithilfe einer aktivierten ventralen Kette findet der Säugling seine Aufrichtung gegen die Schwerkraft, und er bewegt – so wie es der Therapeuten bahnt - den Rumpf von der Unterlage weg in die Vertikale. Dabei kann der Zug der oben auf dem Becken liegenden Therapeutenhand den Grad der Aktivierung steuern und die Höhe der Aufrichtung bestimmen.

Entscheidend für das Halten dieser Position ist nun die Wechselwirkung zwischen ventraler und dorsaler Kette bzw. der exzentrischen und konzentrischen Muskelarbeit der gesamten Rumpfmuskulatur. Um dies zu erreichen, stellt der Therapeut das obere Bein des Kindes mit dem Fuß vor die unten liegende Hüfte auf der Unterlage auf. Nun kann die das Becken fixierende Hand weggenommen werden, und sie wird von kranial kommend unter der Achsel des Kindes durchgeschoben
(Abb. 9.20).

Dort nimmt sie Kontakt auf mit dem Unterschenkel des soeben aufgestellten Beinchens und fixiert dieses auf der Unterlage. Auf diese Weise wurde nun die Zwergenposition eingenommen, die neben der Aktivierung des Rumpfes auch eine Belastung des aufstehenden Fußes gewährleistet. Durch die nun durchgeführte Gewichtsverlagerung wird im Wechsel der Vorderfuß und im darauf folgend die Ferse des aufstehenden Fußes belastet (Abb.9.21).

Die untenliegende Hüfte wird somit zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten Bewegungsüberganges. Sowohl die aufliegende Beckenschaufel als auch der sich in die Unterlage stützende Trochanter major sind hierbei wesentlich an der Sicherung dieser Position beteiligt. Dabei ist eine bestimmte Reihenfolge der Stützabfolge einzelner Körperteile zu beobachten, die dem Kind die langsame Bewegung aus der Seitlage von hinten kommend nach vorne erst ermöglichen. Die Beckenschaufel wird, wie der Rand einer auf die Seite gelegten Schüssel, abgerollt, und zwar so weit, bis sie als Punctum fixum dem Trochanter major des gleichseitigen Oberschenkels das Aufsetzen mit seiner hinteren Kante auf die Unterlage ermöglicht. Initiatoren dieser „Abstützbewegung“ sind die Außenrotatoren der Hüfte. Hat der Trochanter major, der bisher das Punktum mobile darstellt, seinen Stütz gefunden, so kehrt sich die Situation um. Punctum fixum ist nun der Trochanter, der es dem Becken ermöglicht, sich über den zum Trochanter dazugehörigen Hüftknochen in den Raum nach vorne zu bewegen. Das ist gleichbedeutend mit einem Ziehen und Rollen der Pfanne über den Hüftkopf.

Die obere Hüfte befindet sich ebenfalls in einer optimal eingestellten Hüftposition: Das obere Bein ist in der Zwergenstellung deutlich flektiert, ca. 30°-45° abduziert und außenrotiert (siehe Abb. 9.20). Beide Hüften müssen somit ein perfekt aufeinander abgestimmtes Bewegungsausmaß koordinieren, der Rumpf kann dies im aktivierten Zustand größtmöglich unterstützen. Entscheidend ist hierbei die Stellung des Beckens in der Frontalebene. Kommt es hier zu kleineren Veränderungen der Beckenhaltung verändert sich sofort der sensomotorische Input über die Hüftgelenke. Auch die Anpassung der Stellreaktionen sollte als Konsequenz adäquat erfolgen. Hier wird eine Umkehr von Punctum fixum und Punctum mobile sichtbar, welche neben der Beeinflussung der Wirkrichtung der einzelnen Muskelgruppen auch intermittierende propriozeptive Reize auf die Partner Hüftpfanne und Hüftkopf setzt und zur Reduktion der Dysplasie beiträgt.

 

 

Abb. 9.20
Das Kind wird vom Therapeuten aus der Rückenlage in die Zwergenstellung gebracht. Mit der angewandten Grifftechnik wird die untere Hüfte als Punktum fixum zu einen Stütz auf die Unterlage gebracht und das aufstehende Bein zeigt vor dem Körper des Kindes eine sichtbare Reaktionen des Fußes in Dorsalextension.

Herkunft der Abbildung: Tobias Bergerhoff

 


Abb. 9.21

Das Kind wird vom Therapeuten aus der Zwergenstellung heraus in eine Gewichtsverlagerung in Richtung Vierfüsslerstand gebahnt. Dabei kommt es zu einem Wechsel in der Belastung des aufstehenden Fußes, der in Vorlage mehr auf dem Vorderfuß und auf dem Rückweg mehr auf dem Rückfuß belastet wird.

Herkunft der Abbildung: Tobias Bergerhoff

 

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9.4.2 Erste Phase Reflexumdrehen

Die Behandlung des Säuglings in der Rückenlage erfolgt mittels der so genannten „ersten Phase Reflexumdrehen“. Mit dieser Ausgangsstellung, die oftmals den Einstieg in die Vojta-Therapie darstellt, können erste wesentliche Voraussetzungen für das Erlernen gezielter Aufrichtungsmechanismen aktiviert werden. Das Reflexumdrehen (ausgehend von der Rückenlage) hat zum Ziel, den Körper nach seiner globalen Aktivierung in eine Drehbewegung zu versetzen im Sinne eines Lokomotionsmusters. Die erste Phase Reflexumdrehen endet demnach mit dem erfolgreichen Drehvorgang des Kindes aus der Rückenlage auf die zum Therapeuten abgewandte Seite. Jedoch liegt dieser Positionsveränderung des Körpers im Raum ein aktiver Haltungshintergrund zugrunde. Diesen erreicht das Kind durch die zuvor erzielte Aktivierung in der Rückenlage. Die gesamte LBH-Region ist maßgeblich an der Entwicklung des hierfür erforderlichen Haltungshintergrundes beteiligt. Das Erarbeiten eines qualitativ hochwertigen Muskelspiels im Bereich des Hüftgelenkes führt zu einer deutlichen Zentrierung der Hüftgelenke und einer physiologischen Unterstützung des Reifungsprozesses des Hüftgelenkes.

Die erste Phase Reflexumdrehen läuft in folgenden Schritten ab:
Der Säugling liegt in Rückenlage parallel zur Bankkante dicht vor dem Therapeuten (Abb. 9.27). Auf der dem Therapeuten zugewandten Rumpfseite wird ein adäquater Druck in die so genannte Brustzone des Kindes gegeben. Diese befindet sich im Schnittpunkt zweier Linien in der Frontalebene. Die eine Linie liegt in Höhe des sechsten bis siebten Rippenzwischenraumes auf der Senkrechten durch die Brustwarze, die andere verläuft durch die untere Begrenzung des Sternums nach lateral. Die Druckrichtung ist zunächst als Diagonale beschreibbar, wobei das Ziel der Druckrichtung die Schulterblattregion auf der Hinterhauptsseite ist. Wie von Frau Dorit v. Aufschnaiter in der Zeitschrift für Physiotherapeuten (Heft Nr. 3 / 2000) beschrieben, versucht das Kind individuell in nachstehender Reihenfolge auf diesen Reiz zu reagieren:
 
> mit einer axialen Streckung der gesamten Wirbelsäule

> mit einer Adduktion und Depression der Scapulae im Sinne einer
   symmetrischen Schulterblatt-Belastung in der Rückenlage

> mit einer Aktivierung des Beckens in dorsaler Richtung als aktive
   Extension

> mit einer gehaltenen Beugung beider Beine in allen Beingelenken
   mit ungefähr 90° sowie einer Abduktion von ca. 40° und einer
   Außenrotation von ca. 20° (dies entspricht annähernd einer
   günstigen Hüftgelenksposition im Sinne einer Abspreizbehandlung
   nach Fettweis).
  Abb. 9.27

Die erste Phase Reflexumdrehen. Der Muskulatur des Rumpfes wird aktiviert und nimmt das Becken mit auf die Unterlage. Die Hüftepfannen sind optimal nach distal hin ausgerichtet und die Hüftköpfe werden durch die fein abgestimmten Bewegungen des Beckens und der Beine immer in das Zentrum des Hüftgelenkes hin gehalten. Eine axiale Streckung der Wirbelsäule ist die Voraussetzung dafür.

Herkunft der Abbildung: Tobias Bergerhoff

 

Wie von Frau D. v. Aufschnaiter beschrieben, setzt das Kind aktiv die Beckenmuskulatur ein, um aufgrund der Provokation der Muskulatur der ersten Phase Reflexumdrehen eine optimale Einstellung der LBH-Region zu erreichen. Vor allem durch die Aktivierung des Beckens in die dorsale Richtung gelingt es dem Becken, sich in aktiver Extension mit dem hinteren Rand der Beckenschaufeln in die Unterlage zu „graben“. Dies führt zu einem aktiven „Punctum fixum“ des Knochens, der auf seiner ventralen Seite die Hüftgelenkspfannen bildet. Dem zeitgleich aktivierten Hüftkopf wird sozusagen nun eine perfekt liegende Hüftpfanne angeboten und umgekehrt. Das hierbei entstehende Zusammenspiel der Muskulatur kann in der Ontogenese eines normalen Säuglings in dem koordinierten Zusammenspiel der sich entwickelnden Hand-Knie- bzw. Hand-Fuß-Auge-Koordination wieder gefunden werden. Deutlich werden die Zusammenhänge in der folgenden Abbildung (Abb. 9.28). Der schraffierte Teil macht die Feinabstimmung der Hüftkopfbewegung deutlich, ähnlich der Bewegung eines Stößels in einem Mörser – nur mit dem feinen Unterschied, dass es sich hierbei um ein Hüftgelenk handelt.

Während der ersten Phase Reflexumdrehen wird der Kopf des Kindes in der Längsachse des Körpers gehalten. Zu dem wird der Kopf zu der Seite gedreht, auf der in die Brustzone Druck ausgeübt wird. Nach erfolgreichem Auslösen der Zone und dem Erreichen einer ausgewogenen Aktivierung des gesamten Körpers des Kindes endet die erste Phase Reflexumdrehen durch den koordinierten Drehvorgang des Körpers auf die Hinterhauptsseite des Kindes, d.h. weg vom Therapeuten. Bei diesem Drehvorgang kommt die Dreidimensionalität des Lokomotionsprinzips zur Geltung. Diese Dreidimensionalität ist von Vojta ausgiebig beschrieben worden und orientiert sich an der physiologischen Entwicklung des Kindes. Die hohe Qualität dieses Drehvorgangs ist insbesondere bei Hüftkindern so wichtig, da sie eine gute Hüftkontrolle voraussetzt.

Das physiologische Drehen auf die Seite, welches aufgrund der Spreizbehandlung und der anvisierten Tragedauer der Spreizhose vom Kind nicht gut nachzuvollziehen ist, wird analog zur Bewegungsentwicklung in einem Ganzkörpermuster durchgeführt. Nach dem Erreichen einer vollständigen Symmetrie verändert sich die Einstellung des Körpers im Raum bzw. auf der Unterlage. Das Becken hat sich auf der Hinterhauptsseite kaudalisiert, die entsprechende Körperseite hat sich demnach aktiv verlängert. Das Hinterhauptsbein bereitet sich bei leichter Streckung in der“ Hüfte auf die Drehung vor, wobei die Hüfte dieses Beines als Punctum fixum fungiert, über das abgerollt wird. Der Rumpf „legt sich“ auf der Hinterhauptsseite mit den Rippen deutlich auf der Unterlage ab. Auch das Becken folgt der Drehung und legt die dem Therapeuten abgewandte Beckenschaufel auf die Unterlage. Nun kommt es zu der wichtigen Zusammenarbeit zwischen Becken und Hüftknochen. In dem Moment wo das Becken auf der Unterlage als Punctum fixum festgelegt ist, kann der Oberschenkelknochen als Punctum mobile eine aktive Außenrotation vollziehen. Am Ende dieser Bewegung kommt der Trochanter major auf der Unterlage zum Aufliegen und wird zum Punctum fixum. Nun kehren sich langsam die Verhältnisse um. Über den Oberschenkel – genauer gesagt über das Hüftgelenk – beginnt die Drehung des Beckens und des gesamten Körpers auf die Seite. Das Becken wird jetzt zum Punctum mobile, und die Hüftpfanne „läuft in einer Rollgleit-Bewegung über den unter ihr befindlichen Hüftkopf. Dies entspricht wieder symbolhaft dem Beispiel mit dem Mörser und dem Stößel, wobei nun der Mörser umgedreht über den Stößel gerieben wird. Auch das gegenüberliegende Gesichtsbein dreht in leichter Abduktion und Außenrotation bei zentriert gehaltenem Hüftkopf in einer für die nun oben liegende Hüfte perfekten Stellung.